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Lesezeit Sachbuch

....Nach 200 Seiten - übersichtlich und gut strukturiert - zu Theorie und Praxis sozialer Bewegungen, geht es um die Frage, wie wir selbst aktiv werden können. Sara Fromm übernimmt die Definition der unterschiedlichen Rollen in Gruppen und als Aktivist*innen von Bill Moyer (2) (Rebell*in, Bürger*in, Reformer*in oder Change Agent), die mal in der ersten Reihe, mal als "stille Held*in" in der Campküche oder am Laptop sitzend, individuell ausgestaltet werden können. Wichtig dabei ihre Botschaft aktiv zu sein "..nicht nur über deine Konsumententscheidungen oder als Einzelkämpfer*in, sondern mit anderen gemeinsam, organisiert, politisch." (3) Logischerweise spricht sie auch über die vielen Stolpersteine, die von mangelnden (Zeit-)Ressourcen, über Barrieren, Hierarchien, Repressionen, Konflikte bis zu den eigenen Fehlern reichen. Das macht die Autorin, Moderatorin und Trainerin glaubwürdig und in ihrer Begrenzung auf soziale Bewegungen in Deutschland und EU transparent.

Ein weiteres Sachbuch "Kritische Umweltpsychologie. Krisen verstehen, Handlungsfähigkeit entwickeln", herausgegeben vom gleichnamigen Arbeitskreis der Psychologists/Psychotherapists for Future e.V., will "plurale Stimmen hörbar machen, die bisher in der akademischen Psychologie wenig Beachtung gefunden haben oder marginalisiert sind." (4) Das bedeutet demzufolge, eine Auseinandersetzung mit und Kritik an (Umwelt-)Psychologie, ebenso wie dekoloniale und interkulturelle Perspektiven und emazipatorische Projekte sichtbar zu machen. Das Fazit der Herausgeber*innen ist am Ende nichts Geringeres als einen herausfordernder Weg über Spannungsfelder aufzuzeigen und trotzdem "ein lesenswertes Buch herauszugeben". (5)

Exemplarisch greife ich den Beitrag von Yasmin Afshar "Psycho-soziale Aspekte der Automobilität heute" (6) auf. Die Autorin stellt die historische Entwicklung des "Masseartikels" Auto samt seiner industriellen Infrastruktur und dem Verbrauch fossiler Energie in einen Zusammenhang mit Männlichkeit, Gewalt und Geschwindigkeit und resümiert, "..dass das Auto eine zentrale symbolische Rolle in der multidimensionalen Krise spielt, die wir heute erleben - klimatisch, wirtschaftlich und politisch.".."Die Aggression, die als Reaktion auf Verkehrsbehinderung und Verlangsamung entsteht, ist ein Indiz dafür, dass das Auto dazu dient eine Illusion verlorener Macht aufrechtzuerhalten." (7) Und weiter: "Aber dieses Intergrationsversprechen (Individuelle Entfaltung, technische Beherrschung und unbegrenzte Ausbeutung der Natur) war immer auf die Mittelschicht und einige wenige Teile des Proletariats beschränkt. Daher ist auch das derzeitige Desintegrationspotential des Autos begrenzt, da ein großer Teil der Weltbevölkerung schon immer von dieser Lebensform ausgeschlossen war." (8)

Die Empörung über die Aktionen der ""radikale(n) Flanke" einer sozialen Bewegung" (9), die Autofahrende blockiert eignet sich als Vehikel für politischen Populismus, geht aber nicht an die Wurzeln.

 

Fromm, Sara (2024) Zuversicht jetzt. Den Krisen der Welt mutig begegnen. Löwenzahn Verlag.

(1) Ebenda Seite 267

(2) Ebenda Seite 163 ff

(3) Ebenda Seite 232

(9) Ebenda Seite 169

Arbeitskreis Kritische Umweltpsychologie der Initiative Psychologie im Umweltschutz e.V., Psychologists/Psychotherapists for Future e.V. (Hg) (2024) Kritische Umweltpsychologie. Psychosozial-Verlag.

(4) Ebenda Seite 27

(5) Ebenda Seite 419

(6) Ebenda Seite 291 ff

(7) Ebenda Seite 308

(8) Ebenda Seite 309