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Psychische Gesundheit in der Landwirtschaft (Part 3)

....Eine im Dezember 2024 veröffentlichte Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA) liefert zum Thema „Psychische Gesundheit in der Landwirtschaft“ wertvolle Erkenntnisse aus Sekundärforschung und aus Interviews mit wichtigen Branchen-Akteuren (Hervorhebungen von mir): 

„Um die psychische Gesundheit in diesem Sektor zu verbessern, ist es von größter Bedeutung, die Ursachen von Risiken anzugehen – produktionsbezogene, organisatorische, reputationsbezogene (d. h. die öffentliche Wahrnehmung landwirtschaftlicher Praktiken), finanzielle und menschliche Risiken (z. B. Stigmatisierung). Einige Länder haben bereits Schritte in diese Richtung unternommen, indem sie spezifische politische Initiativen und Forschungsprojekte ins Leben gerufen haben. Diese Länder wollen die Ursachen von Risiken bekämpfen, indem sie Programme, öffentliche Ressourcen und Empfehlungen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit bereitstellen. Die meisten der in diesem Bericht identifizierten bewährten Verfahren bevorzugten individuelle Interventionen durch die Bereitstellung wichtiger Dienste wie spezielle Helplines für Landwirte (z. B. Lebensqualität Bauernhof, Österreich), Entlastungsprogramme (Frankreich und Finnland), Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen zu psychischer Gesundheit und psychosozialem Wohlbefinden am Arbeitsplatz (z. B. RAPSY, Belgien) und die Bereitstellung von Peer-Netzwerken (z. B. Bondekompisar, Schweden; Agro Woman, Polen). Zu den spezifischen Instrumenten, die Landwirten und Arbeitgebern zur Verfügung stehen, gehört das „Little Book of Minding Your Head” der Farm Safety Foundation, eine Ressource, die verschiedene psychische Gesundheitsprobleme definiert und praktische Ratschläge gibt, darunter ein Instrument, mit dem Nutzer Stress erkennen und bewältigen können. Darüber hinaus wurden zeitlich begrenzte, von der EU finanzierte Projekte wie FARMWELL, die eine Reihe von Instrumenten für Landwirte und Landarbeiter in der gesamten EU bereitstellen, aufgrund ihrer kosteneffizienten Maßnahmen hervorgehoben.

 

Der Schutz der psychischen Gesundheit von Landwirten ist untrennbar mit der Zufriedenheit am Arbeitsplatz verbunden. So wurde festgestellt, dass ein florierender Betrieb, ein sicherer Nachfolgeplan, finanzielle Sicherheit und Einkommensstabilität, Geschäftseffizienz und unternehmerische Kompetenz sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken. Ebenso mindern Verbesserungen im landwirtschaftlichen Betrieb, sei es durch den Einsatz digitaler Tools oder die Umstellung der Betriebsform, eine Reihe von psychosozialen Risiken. Dazu gehört die Verbesserung der Arbeitsbelastung, die Erhöhung der Autonomie und Kontrolle, die Stabilisierung der Einkommen und die Senkung der Kosten sowie die Stärkung der Verbundenheit mit dem Betrieb und der Natur. 

Weitere Leitlinien und Forschung 

Die Bekämpfung psychosozialer Risiken bei landwirtschaftlichen Arbeitskräften erfordert politische Maßnahmen und die Unterstützung von intermediären (Vermittler-)Organisationen wie Vertretern von Landwirten und Landarbeitern. Zu den Empfehlungen, die sich aus dieser Studie ergeben haben, gehören:

 

Empfehlungen für landwirtschaftliche Unternehmer und Arbeitgeber: 

  • Bewerten Sie psychosoziale Risiken in der Landwirtschaft und entwickeln Sie Aktionspläne zur Bewältigung dieser Risiken, indem Sie praktische Online-Tools wie das EU-Tool OiRA für die Landwirtschaft nutzen.
  • Entwickeln, implementieren und setzen Sie Arbeitsschutzrichtlinien am Arbeitsplatz durch, einschließlich Richtlinien, die psychosoziale Risikofaktoren berücksichtigen.
  • Investieren Sie in Arbeitsschutzschulungen, einschließlich Modulen zu psychosozialen Risiken und psychischem Wohlbefinden.
  • Diversifizieren Sie die landwirtschaftlichen Praktiken, was sich positiv auf die landwirtschaftliche Produktion, die Gewinne der Betriebe, die Gesundheit und die ökologischen Ergebnisse auswirkt.
  • Stellen Sie sicher, dass Wander- und Saisonarbeiter gemäß den lokalen Gesetzen und Vorschriften beschäftigt werden und angemessene Unterkünfte, Unterstützung und Aufsicht erhalten. 

Empfehlungen für sektorale, intermediäre (Vermittler-)Organisationen und Bildungsdienste: 

  • Aufbau und Pflege solider und unterstützender Netzwerke.
  • Förderung des Ansehens der Landwirtschaft durch Stärkung der Wertschätzung in der Bevölkerung, um Stigmatisierung zu verringern.
  • Schulungen und Bereitstellung von Instrumenten zur Erkennung der Anzeichen und Symptome psychischer Probleme.
  • Entwicklung und Förderung benutzerfreundlicher Online-Risikobewertungstools für Landwirte und Landarbeiter, wie z. B. das EU-Tool OiRA für die Landwirtschaft.
  • Sensibilisierung für psychische Gesundheit durch Kommunikationsmaßnahmen, indem Gruppenaktivitäten und kulturell angemessene Kampagnen organisiert werden.
  • Stärkung der Resilienz, der Fähigkeiten und der digitalen Kompetenz durch personalisierte Schulungen und individuelles Karrierecoaching.
  • Sicherung der finanziellen Sicherheit durch Unterstützung der Landwirte bei der Entwicklung umfassender Betriebsführungspläne.
  • Maßgeschneiderte Unterstützung und Hilfe bei der Gründung eines landwirtschaftlichen Betriebs.
  • Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und der Vielfalt durch maßgeschneiderte Schulungen zu den Themen Vielfalt und Inklusion.
  • Integration von Wanderarbeitnehmern durch Initiativen, die Sprachkurse umfassen und die Bereitstellung sicherer Unterkünfte gewährleisten. 

Politische Leitlinien: 

  • Verbesserung der Infrastruktur und des Zugangs zur Gesundheitsversorgung in ländlichen Gebieten, einschließlich Dienstleistungen im Bereich häusliche Gewalt.
  • Verbesserung des Zugangs zu öffentlichen Förderprogrammen und Bereitstellung spezialisierter Dienstleistungen, die auf die Herausforderungen in der Landwirtschaft zugeschnitten sind.
  • Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Behörden für Landwirtschaft, Arbeitsschutz sowie Gesundheit und Soziales.
  • Priorisierung der Senkung der erhöhten Selbstmordraten und psychischen Probleme in landwirtschaftlichen Gemeinschaften.
  • Bekämpfung der finanziellen Unsicherheit, um faire Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse und die Unterstützung der Erbfolge in landwirtschaftlichen Betrieben durch rechtliche Beratung und finanzielle Unterstützung für junge Landwirte, um Nachfolgeprobleme zu mildern.
  • Einrichtung speziell konzipierter Unterstützungsdienste für Landwirtinnen und andere Gruppen (z. B. Migranten, junge und ältere Landwirte und Landarbeiter).
  • Schaffung von Möglichkeiten zur Erholung und Entspannung durch spezifische Ersatzprogramme.
  • Unterstützung von Betriebsumstellungen und der Diversifizierung landwirtschaftlicher Praktiken sowie Sensibilisierung für die Vorteile der nichtkonventionellen, ökologischen Landwirtschaft.
  • Unterstützung von Gesetzesinitiativen und Programmen, die regulatorische Engpässe beseitigen und den Verwaltungsaufwand verringern, Einkommen der Landwirte zu gewährleisten. 

Zukünftige Forschungsrichtungen: 

  • Erhebung umfassenderer Daten auf EU-Ebene zu psychischen Gesundheitsergebnissen im Agrarsektor.
  • Schließung von Forschungslücken in Bezug auf Klimawandel, Digitalisierung und spezifische Risiken für LGBTQ+-Arbeitnehmer, Landwirtinnen und erwerbstätige Landarbeiter (im Original: non-owner farm workers).“ (1

Mit non-owner farm workers sind meiner Interpretation nach sowohl mitarbeitende Familienangehörige ohne selbständige Betriebsleiterinnen, angestellte Landarbeiter*innen, sowie Saison- und Wanderarbeiter*innen gemeint. In Deutschland wird die zuletzt genannte Gruppe salopp „Erntehelfer*innen“ genannt.

Soweit diese Studie, die bei Agrarmedien oder Verbänden in Deutschland kaum auf Resonanz gestoßen ist.

 

Welche strukturellen Ansätze zur Prävention und Unterstützung bei psychosozialen Problemen in der Landwirtschaft gibt es hier zu Lande? 

  • Mit dem Titel „Psychische Gesundheit in der Grünen Branche – wen interessiert’s?“ startete die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) 2024 mit einem Symposium zur seelischen Gesundheit und psychischen Belastungen eine eigene Unterstützungskampagne. Von uns Teilnehmenden wurde auf dem Symposium die Berliner Erklärung verabschiedet. Die Leistungen der SVLFG stehen allen Versicherten (ca. 500.000 Mitgliedern 2024) offen und sind auf einen Blick über den Link https://www.svlfg.de/gesunde-arbeit aufzurufen.
  • Die SVLFG Krisenhotline ist 24 Stunden an sieben Tagen die Woche erreichbar ist (Tel.: 0561 785-10101).
  • Die Hilfsangebote der Landwirtschaftskammern, -verbände, kirchlichen und caritativen Institutionen sind in den einzelnen Bundesländern vergleichbar. Hier beispielsweise die Angebote im Bundesland Niedersachsen: https://www.suizidprophylaxe.de/hilfsangebote/hilfsangebote/
  • Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. "Unter der Nummer 116 016 und via Online-Beratung unterstützen wir Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung – 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte beraten wir anonym und kostenfrei." (Homepage aufgerufen am 23.08.25)
  • 2024 wurde vom Gesundheitsministerium eine nationale Suizidstrategie verabschiedet. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention informiert über zentrale Hotlines und regionale Beratungsstellen. 
  • Die IG Bauen-Agrar-Umwelt bezieht aktuell kritisch Stellung zu fairen Arbeitsbedingungen und Lohn für Saisonarbeiter*innen und weist auf das Beratungsnetzwerk Faire Mobilität vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hin: kontakt@faire-mobilitaet.de oder 030-219 65 37 21 (Hilfe in vielen Sprachen)

Falls Sie Empfehlungen für gute Netzwerke oder Unterstützungsangebote haben, die Sie hier vermissen, freue ich mich über Ihre Tipps: Kontakt

 

(1) Seite 6-8, Summary Mental health in agriculture: preventing and managing psychosocial risks for farmers and farm workers © European Agency for Safety and Health at Work, 2024 

Authors: Evelyn Donohoe, Francesco Camonita, Valentina Tageo, Camille Guey, Ilana Zejerman, Laura Todaro, Lode Godderis and Anke Boone.

Übersetzt mit DeepL.com (kostenlose Version)