
......Was kann in solchen Situationen ‚Mut machen‘?
Ich gehe durch die Innenstadt von Hanau, um nach einem Erinnerungsort für die Opfer des rassistischen Attentats vom 19. Februar 2020 zu suchen. Dabei wurden neun Menschen am Heumarkt und am Kurt-Schumacher-Platz getötet. Später erschoss der Täter seine Mutter (und sich selbst). In Hanau selbst war ich weder vor noch nach dem Attentat, deshalb suche ich gezielt am Markt und Rathaus, dem zentralen Ort von Hanau. Im Kopf habe ich das Münchner Denkmal „Für Euch“ für die Todesopfer am Olympia Einkaufszentrum (2). Dort tötete ein 18-jähriger am 22. Juli 2016 neun Menschen und verletzte über dreißig weitere Personen mit Schüssen. Zum Gedenken an die Opfer hat die Stadt München bereits am ersten Jahrestag ein Denkmal Ensemble eingeweiht. Es besteht aus einem großen Edelstahlring, der die Porträts und Namen der neun Todesopfer beinhaltet. Dieser umschließt einen Ginkgo-Baum. Angehörige der Opfer des rassistischen Anschlags in Hanau kennen das Münchner Denkmal. Sie waren 2024 von der Stadt München zu der Gedenkveranstaltung des 8. Jahrestags eingeladen.
Ich finde in Hanau, eher zufällig ein Mural Graffiti an einem Spielplatz, eine Gedenktafel „Am Heumarkt“ und Tafeln mit selbst laminierten Porträts um einen Baum. Ich erfahre später, dass sich Angehörige ein zentrales Denkmal am Markt wünschen. Ich verstehe das gut. Auch ich suchte dort nach einem Erinnerungsort. Später erfahre ich in einem Workshop beim BM Mediationsfestival, dass es den Erinnerungsort am Markt in einer anderen Form geben soll: Als „Haus für Demokratie und Vielfalt“.
Tut mir leid, das verstehe ich nicht. „Achtsam sein = Präsent sein“, stelle ich mir anders vor. Vielleicht wie ein diskriminierungsfreies Netzwerk quer durch die Stadt. Oder als ein öffentlicher und sichtbarer Erinnerungsort für diese neun Opfer von Rassismus. Als ein raumeinnehmendes Denkmal, an dem ich nicht einfach vorbeigehe.
(Brand-)Mauern oder Gebäude, die von einer besseren Zukunft erzählen, entstehen doch erst, wenn <MUT> überspringt.
Springt der Goldfisch aus seinem Wasserglas, fliegt der mutige Fisch durch die Luft und schlägt auf dem Boden auf. Ein neues, schützendes Habitat zu finden braucht wohl doch noch weitere „Qualitäten“.
(1) Susanne Strobach, Achtsamkeits-Akademie Wien, Initiatorin des ersten Masterstudiengangs „Achtsamkeit in Bildung, Beratung und Gesundheitswesen“ im DACH-Raum.
(2) abgekürzt OEZ, Hanauerstr. 77, 80993 München. Weitere Informationen: https://www.muenchen.de/sehenswuerdigkeiten/bauwerke-und-denkmaeler/denkmal-fuer-euch