
...Bootstrapping ist...
Ganz klassisch wird zunächst der eigene Lebensunterhalt -sowie der Unterhalt aller Menschen, die Sie mitversorgen- in Ansatz gebracht und die Unternehmensausgaben hinzugerechnet. Wo können Sie von vornherein bei den Unternehmensausgaben (wie auch bei den privaten Ausgaben) kürzen? Als Startup mieten Sie kein eigenes Büro und halten einen kleinen Lagerbestand. Und in der Landwirtschaft? Brauchen Sie eine eigene Immobilie? Ist der Stall mobil oder kann die Halle in Kooperation mit anderen Betrieben errichtet werden?
Am Anfang ist der Umsatz gering(er) und wenige Kund*innen finanzieren Ihre Gründung. Genau diese Kund*innen schätzen aber auch Ihre Pionier*innen-Leistungen und honorieren das mit kleinen Direktdarlehen. Kleinere Bankdarlehen können hinzukommen.
Family, Friends & Fools (Leute, denen das Geldgeben leichtfällt) geben Kapital zu meist guten Konditionen. Dazu kommen „Subventionen“, die Sie beispielsweise als Gründungsgeld erhalten, wenn Sie die Kriterien erfüllen („Junglandwirtebeihilfe“, Gründungsstipendien, Förderprogramme der Bundesländer). Oder aber der aktuelle (Neben-)Job, andere Produkte oder Services (die Sie schon auf den Markt gebracht haben) subventionieren das Unternehmen quer. Das alles sind Finanzierungen im Rahmen von Bootstrapping und kosten nicht weniger Zeit und Nerven, als klassische Finanzierungswege.
Öffentliche Förderungen und Zuschüsse, wie auch Startup-Wettbewerbe und Preisgelder zählen zum erweiterten Bootstrapping, ebenso wie Crowdfunding und Lieferantendarlehen (ein langfristiger Kredit eines Herstellers/Lieferers, um die Kundenbeziehung zu festigen).
Merkmal von Bootstrapping ist ein von vorneherein begrenztes Wachstum, also eine bewusste Entscheidung für dieses Unternehmensmodell.
Manchmal steht aber schlichtweg kein Kapital zur Verfügung, erklärt Louisa Wiethold (Finanzexpertin) und stellt einige Regeln auf:
- „Möglichst schnell mit Geldverdienen beginnen
- Schnelles Erreichen des Break-Even-Points
- Produkte oder Leistungen mit (Mehr-)wert anbieten
- Kein hoch bezahltes Personal
- Sparsamkeit und Effizienz
- Verfügbare Liquidität (Ergänzung von mir: Liquidität stets im Auge haben)
- Netzwerke und Kontakte knüpfen."
Die Vorteile von Bootstrapping sind finanzielle Gestaltungsfreiheit, niedrige Fallhöhe bei Insolvenz, geringe Schulden und die damit verbundenen Reputation (für zukünftige Finanzierungen), wie auch die Anpassungsfähigkeit bei Krisen. Nachteile sind der Leistungs- und Zeitdruck (das Produkt muss gekauft werden), der existenzielle Druck („Cashflow-Stress“) aber auch das Risiko, nicht schneller wachsen zu können wenn gewollt, weil weniger Ressourcen oder Mitarbeitende zur Verfügung stehen. Auch schläft die Konkurrenz nicht und ‚kopiert‘ das Betriebsmodell.
Louisa Wiethold würde Bootstrapping bei Gründung eines landwirtschaftlichen Betriebs, wegen hoher Anfangsinvestitionen und teurer Produktion, als NICHT GEEIGNET erachten. Möglicherweise würde Sie aber eine Querfinanzierung oder Nischenproduktion empfehlen. Der klassische Nebenerwerb, der Ackerbaubetrieb, der flächenstarke Subventionsbetrieb? Leider blieb keine Zeit, diese Fragen mit der Finanzexpertin Louisa Wiethold zu diskutieren. Ein branchenfremder Blick auf das Gründungsökosystem der Landwirtschaft wäre sicherlich spannend.
Betriebe mit „begrenztem Wachstum“ sind typisch für Gartenbau und Dauerkulturen. Deren Gewinne liegen im einstelligen Bereich (2022).
Doch es gibt sie auch anders: Unternehmen, die sich bewusst für ein alternatives Modell zur „wachsen oder weichen“ Dynamik entscheiden, beispielsweise aus ökologischen, sozialen und politischen Gründen. Eine Solawi zu starten, ist heute eine Diversifizierungsmaßnahme ähnlich wie Hofladen, Biohotel und Bauernhofpädagogik aufzubauen.
Modellbetriebe des begrenzten Wachstums schätzen Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit. Solche Gründer*innen bringen das kreative Growth Mindset mit, sind anpassungsfähig und kompromissbereit.
Hier komme ich wieder auf den Impulsvortrag von Louisa Wiethold zurück, die den Tipp gibt, „nicht zu schnell als Team zu wachsen: Mehr Leute, mehr Probleme. Führungserfahrung und Organisation muss mitwachsen.“ Und: „Branchenerfahrung sammeln und danach gründen macht vieles einfacher.“ Letzteres klingt nach „Tippelei“ in der Landwirtschaft.
Bootstrapping ist also ein mögliches Finanzierungsmodell für Gründungen in der Landwirtschaft mit begrenztem Wachstum.
(1) "Gründen ohne Kapital - Bootstrapping", Vortrag von Louisa Wiethold, gehalten am 12.10.2024, deGUT 2024 ARENA Berlin