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Miteinander anders denken

....Haben Sie das Bedürfnis, verschiedene Perspektiven zusammen zu denken? Perspektiven, die hierarchisch geordnet erscheinen oder gegeneinander gerichtet werden oder es schlichtweg gar nicht „wert“ sind, darüber zu sprechen. Perspektiven „<<der Benannten>>, also von Diskriminierung betroffenen, marginalisierten Menschen und deren Beziehungen zu denjenigen, die deren Erfahrungen nicht machen.“

 

Verändertes Denken für Menschen, die lernen wollen. Bei der Autorin und Journalistin Hadija Haruna-Oelker sind Sie genau richtig. Sie schreibt in ihrem Buch „Die Schönheit der Differenz“ mit dem Untertitel, den ich ihr im BLOG-Artikel als Überschrift entnommen habe, über das Voneinander lernen auf dem Hintergrund von (unseren) Unterschieden.

 

Ihr Schreiben, stets politisch und persönlich ist schon sprachlich eine Augenweide. Sie hat jedes Kapitel Gegenlesen lassen im Sinne eines ergänzenden Lektorats, das sich Sensitivity Reading nennt. Es ist das Prüfen von Texten auf „verletzende oder missverständliche Darstellungen und Ausdrucksweisen“ und wird von Personen ausgeübt, die diese Gruppen und deren unterschiedliche Sichtweisen kennen. Wobei auch sie sagen, dass jede betroffene Person jeden Sachverhalt unterschiedlich bewertet. Das hört sich komplex an, aber eigentlich auch wieder sehr verständlich. Jede Person möchte in ihrer eigenen Individualität wahrgenommen werden.

 

Für die Autorin ist es normal, „keine diskriminierende Sprache benutzen zu wollen“. (S.109) Sie schreibt: „Es war meine persönliche Entscheidung, darauf zu achten und achtsamer zu sein, damit ich andere weniger übersehe und verletze. Es heißt für mich, mir immer wieder auch Räume für eine Auseinandersetzung zu suchen und zu lernen, sich für die eigenen Privilegien nicht zu schämen“. (S.111)

 

Was ist aber, wenn ich Vorurteile und Stereotype habe oder wenn ich anderen mit einer inneren Abneigung begegne? Dazu sagt Hadija Haruna-Oelker: „Eine Möglichkeit ist für mich, mich selbst zu befragen: Was bewerte ich gerade? Woher kommt mein Gefühl? Warum fühlt sich mein Gegenüber durch meine Handlung verletzt? Was ist es, was mich irritiert? Woher stammt mein (Un-) Wissen (über mein Gegenüber)?" (S.109)

 

Grundsätzlich ist unbestritten, dass Rechte und Ressourcen unterschiedlich verteilt sind. Dass dies zu sozialer Ungleichheit führt. Wenig Sinn macht es, Ungleichheiten und Diskriminierungen nacheinander oder losgelöst voneinander zu bekämpfen. Sie sind miteinander verschränkt, intersektional und komplex. So wie ein und dieselbe Person mehrfach diskriminiert werden kann, als „Schwarze, behinderte, geflüchtete, arme, trans Frau.“ (S.134)

„Anders als Konzepte wie Integration, Inklusion oder Diversity geht es bei intersektionalen Ansätzen darum, die gleichzeitige Berücksichtigung der sogenannten Mikro- und Makroebene, also beispielsweise die Erfahrung einer Person in ihrem kleinen und konkreten Fall, aber gleichzeitig die Wechselwirkung im größeren System und ihre Wechselwirkungen auf Struktur-, Repräsentations- und Identitätsebene zu betrachten“. (S.134)

Damit blendet die Autorin alle Differenzen ein, denen sie sich Kapitel für Kapitel persönlich und politisch widmet. „Es heißt für mich, immer wieder Informationen in mir aufzunehmen, was anstrengend sein kann, darum sollte es freiwillig passieren. Es ist ein selbstbestimmter Prozess, den ich als gesellschaftliche Aufgabe für unsere gemeinsame Zukunft sehe“. (S.258)

 

Und zu ihrer eigenen professionellen Arbeit sagt sie: „Und ja, dieser Weg ist ein mühevoller. Es kostet Einsatz, sich mit den Grautönen zwischen polarisierenden Polen zu beschäftigen, wenn man an dieser Gesellschaft feilen und in meinem Fall journalistisch arbeiten will. Nach dem echten Kern des Problems zu fragen, Perspektiven und die eigene Position zu wechseln und zu hinterfragen, worin die Gründe für Unverständnis und Unvereinbarkeit einer Debatte liegen, ist nicht leicht. Die Antworten auch mal sacken und nachwirken lassen und nicht gleich gegenzuhalten, das erfordert Ausdauer.“ (S.278-279) Sie plädiert dafür, Konflikte aus der Vogelperspektive zu betrachten. Und gibt Emotionen genauso Raum wie Rationalem und bezeichnet sie als verbundene Kompetenzen.

 

„Hilfreich wäre es also, wenn wir einen gemeinsamen Weg finden würden, auf dem alle ihr Gesicht wahren und auf dem wir uns dabei unterstützen könnten, dass sich alle als Gewinner im Sinne der gemeinsamen Sache fühlen. Eben weil Veränderungen im Sinne der Menschenrechte geschehen.“ (S.287-288)

 

Genderleichte Sprache ist oft der Anfang, um Aufmerksamkeit für Differenzen zu lernen und zu üben.

 

Das Buch „Die Schönheit der Differenz. Miteinander anders denken“ bietet Klarheit und vielschichtiges Wissen, spricht die Sprache der Offenheit und Begegnung. Zu jedem Kapitel finden sich ausführliche Hinweise zu Initiativen und Aktivist*innen, Literatur und Podcasts u.v.m.

 

Alle Zitate aus: Haruna-Oelker, Hadija "Die Schönheit der Differenz", 2022 btb Verlag