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Unternehmensnachfolge

...zeigen die Autoren Martin Fries und Ralf Deutlmoser im letzten Kapitel von "Mediation im Erbrecht"(1) auf.

Getreu dem erbrechtlichen Beratungsansatz „Orientierung an den Interessen der einzelnen Stakeholder“(2), steigen sie mit einem Fallbeispiel ein, das die komplexen Konfliktlagen in der Unternehmensnachfolge anschaulich wiedergibt. Um dann in ein strukturiertes Vorgehen überzuleiten, das Sie schon in allgemeinerer Form in meinem vorherigen BLOG zum Thema Erbmediation kennengelernt haben. Bezeichnet wird das Vorgehen als Gestaltungsmediation:

 

Mediative Prozesse in der Unternehmensnachfolge anzustoßen, gelingt in den meisten Fällen eher durch externe Impulse von Beratungspersonen (Rechts- und Steuerberatende, Vermögensverwaltende, Finanzberatende, Notare aber auch durch Berufsorganisationen und (Wirtschafts-) Verbände).

Bei der Auswahl der beratenden Person sollte „neben die Feldkompetenz der Mediatorin … eine ausgeprägte Methoden- und Prozesskompetenz treten. Dabei kommt es neben fundierten theoretischen Grundlagen vor allem auch darauf an, dass sie über das notwendige psychologische Verständnis und über umfangreiche soft skills verfügt.“(3) Sollte die Mediatorin schon vorher anwaltlich oder beratend für die Familie tätig gewesen sein, steht die Frage der Allparteilichkeit und Transparenz im Raum (die von allen Beteiligten geklärt werden muss).

 

Auch sollte nicht zu früh eine Einengung auf einen (juristischen) Konflikt, sondern eine umfassende Bestandsaufnahme erfolgen. Diese kann durchaus mehrere Tage dauern, bis alle Beteiligten ihre individuelle Sichtweise dargelegt haben.

Ein erster Überblick wird erlangt, indem die vermögens- und erbrechtliche Situation zusammengetragen wird: „Bezogen auf Familienunternehmen sind freilich häufig 70 % bis 90 % des Vermögens im Unternehmen gebunden. Gerade wenn das Unternehmen nur an einzelne Kinder übertragen werden soll, kommen regelmäßig bereits an dieser Stelle erste Fragen der familieninternen Ausgleichung auf.“(4)

Differenzen treten bei der Frage der (zukünftigen) Unternehmensführung zu Tage. Wesentlich für den weiteren Prozess ist an dieser Stelle, dass die Realität jeder einzelnen Person anerkannt, zur Sprache gebracht und gehört wird.

Bereits bestehende Pläne zur familieninternen Nachfolge können durch andere Nachfolgemodelle (Fremdgeschäftsführung, Tandem) von Seiten der Mediatorin erweitert werden.

Die Frage, wem das Unternehmen zukünftig (alleine, mit weiteren Gesellschaftern) gehören soll und welche darauf angepassten Strukturen es im Innen bedarf, rundet die Bestandsaufnahme ebenso ab, wie die Frage der Absicherung weichender Generation(en), sowie das soziale Miteinander.

 

Kommen im weiteren Prozess die Interessen der Einzelnen und die Unternehmensinteressen auf den Tisch, zeigt sich schnell, dass Nachfolgelösungen dann für alle tragbar sind, wenn Bedürfnisse nach Fairness, Gerechtigkeit, Zugehörigkeit, Verbundenheit, Wertschätzung usw. erfüllt werden können. Voraussetzung dafür ist, dass Konflikte sich nicht destruktiv entfalten und im Streitfall der vermeintliche „Familienfriede“ schnell zerfällt.

Etwas anders, als die Autoren es in ihrem Buch aufbereiten, sehe ich dabei die normative und auf Tradition beruhende, „ungeschriebene“ Übereinkunft in der Familie – auch als Familiencharta bekannt – oftmals als verantwortlichen Hemmschuh, kreative Fortentwicklungen im Familienunternehmen zuzulassen. Eine auf (patriarchale) Macht- und Verteilungsfragen sensibilisierte Mediatorin bringt an dieser Stelle emanzipatorische Impulse ein.

 

Spätestens mit der Nachfolgeregelung ist es angebracht eine Nachfolgecharta zu entwickeln, die sich auf die drei Bereiche Familie, Unternehmen und ownership (Gesellschafter) bezieht. Die Autoren zeigen einige der Kernthemen:

  • "Die Sicherung der Lebensgrundlage der Unternehmerfamilie setzt ein nachfolgewürdiges Unternehmen voraus.“(5) Gemeint ist damit die Fähigkeit und das Wissen der Nachfolgegeneration eine geeignete, sinnstiftende Unternehmensstruktur aufzubauen.
  • Ist der Familienkonsens so ausgestaltet, dass der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht, richten sich auch die Gerechtigkeitsprinzipien auf Leistung aus. Das im Nachfolgeprozess transparent zu machen bringt auch dem gesamten Prozess mehr Klarheit.
  • Gerechtigkeitsvorstellungen innerhalb der Familie können stark voneinander abweichen. Die veröffentlichten Beispiele zeigen es auf(6). Solche Aspekte transparent und nicht-wertend (richtig/falsch) in der Familie zu erörtern, kann schon zur Deeskalation beitragen.
  • „Omnipräsente Übergeber“(7) und die Anerkennung der Leistungen der weichenden Generation(en) sind Themen, die extern Beratende einfühlend einbringen.

Ist der Prozess mit allen aktiv Beteiligten bis an diesen Punkt gelangt, ist das Schwierigste geschafft. Selbst wenn es abschließend zu keiner (einvernehmlichen) Lösung kommt.

Um alle Interessen bestmöglich unter einen Hut zu bringen, bedarf es darüberhinaus noch eines hohen Zeit- und Ressourcenaufwands, sowie externer Beratung. Vereinbart werden können vorab auch schon Teillösungen.

In der Nachfolgecharta sind diverse Nachfolgeszenarien alternativ formuliert, ebenso die Schritte der Umsetzung und der Übergabe. „Weil die Planung einer Unternehmensnachfolge bisweilen einen langen Zeitraum weit in die Zukunft hinein regeln, müssen die Beteiligten damit rechnen, dass sich im Laufe der Zeit wesentliche Umstände, die Grundlage der Verhandlungen waren, über kurz oder lang ändern, obwohl der Erbfall noch nicht eingetreten ist. Hier bietet es sich an, die Nachfolgecharta als lebendiges Dokument auszugestalten, d. h. von Anfang an den Willen der Beteiligten zur periodischen Prüfung festzuhalten und den organisatorischen Rahmen dafür zu schaffen.“(8)

 

In den letzten Jahren nehmen Veröffentlichungen zu, die Unternehmen gute Ansätze für Nachfolge und Erbe anbieten. "Mediation im Erbrecht" gehört definitiv zu meinem favorisierten Ansatz.

 

(1) Fries, Martin und Deutlmoser, Ralf „Mediation im Erbrecht“ Springer Berlin 2023. ISBN 978-3-662-66300-4 ISBN 978-3-662-66301-1 (eBook) Open-Access-Publikation https://doi.org/10.1007/978-3-662-66301-1

(2) ebenda Seite 153

(3) ebenda Seite 159

(4) ebenda Seite 170

(5) ebenda Seite 177

(6) ebenda Seite 180

(7) ebenda Seite 181

(8) ebenda Seite 187