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Erbmediation

Erbmediation gilt in Mediator*innenkreisen als höchst anspruchsvolle Mediation. Sitzen sich doch Parteien gegenüber, die sich von Kindesbeinen an kennen, eine lange Familiengeschichte miteinander teilen (länger als bei Scheidung oder Trennung) und emotional aufgeladene Konflikte großen Raum einnehmen. Womöglich soll das Erbe noch mit Dritten geteilt werden oder Einzelne gehen "leer" aus ....

Die beiden Autoren beleuchten Erbmediation aus verschiedenen Blickwinkeln. Neben Beispielen (berühmter) Erbstreitigkeiten und der Komplexität, die sich hinter diesen Konflikten verbirgt, der Einordnung gerichtlicher und außergerichtlicher Verfahren und Nutzen der Mediation, befassen sich drei Kapitel mit der strukturierten Vorgehensweise der Konfliktprävention in der Nachfolgeplanung.

Die Autoren lagen dar, dass Klarheit und Eindeutigkeit von Übergebenden wie von Erben, gleichermaßen hochgeschätzt werden. Die Motive der Übergebenden verständlich und unmissverständlich darzulegen, reduziert Konflikte erheblich. Abhängig von der Größe des Vermögens/Unternehmens beginnen erste Überlegungen zur Übergabe häufig in Gesprächen mit Hausanwält*innen, Beratenden, Vertrauten (ggf. werden Mediator*innen hinzugezogen).

Wie sieht das strukturierte Vorgehen aus? Welche Stolpersteine beinhaltet der Prozess?

Im 5. Kapitel wird dies mit Beispielen und Erfahrungen aus der Beratungsarbeit erläutert. Die Autoren legen nahe, den Prozess im Sinne eines Mediationsverfahrens zu gestalten:

1.      Bestandsaufnahme:

  • Welche Personen gehören zum Kreis der Erbenden und welche nicht? Wie und vor allem wann, werden enttäuschte Erwartungen oder erfüllte Wünsche besprochen?
  • Regelmäßig aktualisiertes Vermögensverzeichnis und eine (mit auf die Erbenden ausgerichtete) Liquiditätsplanung erstellen.
  • Welche Ereignisse (z.B. fachliche Ausbildung und Berufserfahrung, Mitarbeit im Unternehmen) sind bedeutsam für Übergebende?

 2.      Interessen:

  • Interessen und Bedürfnisse (nicht Positionen) der Übergebenden als Kern des Prozesses „mit Zeit und Sorgfalt“ (2) ermitteln.
  •         Die Qualität dieser Reflexion verbessert das gegenseitige Verständnis im Familienkreis erheblich (3).

 3.      Lösungsoptionen:

  •        Möglichst „wertungsfreies Brainstorming“ aller Lösungsoptionen und anschließend Übersetzung der gewünschten Regelungen in rechtssichere Formen.
  •         Vor- und Nachteile einer Miterbenschaft diskutieren und ggf. mit zusätzlichen Klauseln regeln.
  •          Für und Wider der Klärung von Pflichtteilsberechtigungen vor dem Erbfall besprechen (mit Beratungserfahrungen der Autoren in Kapitel 5.4.3 anschaulich dargelegt).

 4.      Umsetzung:

  • Entscheidung für eine Vereinbarung treffen, die von allen Beteiligten akzeptiert ist ggf. nach individueller Rechtsfolgenberatung.
  •         Für die Umsetzung stehen alleine zum Abschluss gebrachte (z.B. Testament) oder bilaterale (Erbverträge) oder mit mehreren Beteiligten (Regelungen der vorneweggenommenen Erbfolge) getroffene Formen zur Verfügung.
  •          Überprüfen der Regelungen und ggf. Nachbesserungen, da der Erbfall/die Nachfolge häufig weit in der Ferne liegen.

Die naheliegenden Vorteile, Mediation als Gestaltungsprozess schon weit im Vorfeld der familiären Überlegungen zu Nachfolge und Erbe anzuwenden, das legen die Autoren mit großem Engagement und für mich sehr überzeugend, dar. Dem ist hinzuzufügen, dass Streitbeilegung (Beispiel Schulmediation) heute schon in Kindergarten und Schule gelernt wird. Interessen, Gefühle und Bedürfnisse gegenseitig mitteilen und Streit „anders“ angehen – das können unterschiedliche Generationen voneinander lernen. Autoritäre, patriarchale Entscheidungen in und vermeintlich „für“ die Familie zu treffen, sind dagegen oldschool.

Gelten die bisherigen Punkte für Übergabe und Erbe und den daraus entstehenden Konflikten allgemein, geht die Veröffentlichung im letzten Teil auf den speziellen Fall der Unternehmensnachfolge ein. Die Ausführungen sind nicht auf landwirtschaftliche Unternehmen ausgerichtet, aber es werden typische Konflikte und Fragen dargestellt, die durchaus übertragbar sind. Deshalb möchte ich Beratenden und Beteiligten (im Familienunternehmen) die Open-Access-Publikation nahelegen, die gleichermaßen lesbar und nutzbar ist.

 

Auch wird sich mein nächster BLOG mit den komplexen Hinweisen der Autoren zur Unternehmensnachfolge befassen.

 

(1) Fries, Martin und Deutlmoser, Ralf „Mediation im Erbrecht“ Springer Berlin 2023. ISBN 978-3-662-66300-4 ISBN 978-3-662-66301-1 (eBook) Open-Access-Publikation https://doi.org/10.1007/978-3-662-66301-1

(2) ebenda Seite 114

(3) ebenda Seite 115