.....Auch dieses YouTube-Video schaute ich mir komplett an. Meine Aufmerksamkeit für ihre Person ist tatsächlich bis zum Ende des Videos (51 Minuten) nicht abgeflaut. Im Gegenteil: vom Storytelling bis zu den Unternehmensdaten klingt alles sehr interessant. Anastasia Barner gilt mit der Gründung von „FeMentor“ im Jahr 2019, die erste Reverse Mentoring Plattform in Europa für Frauen, als eine der jüngsten Gründerinnen und hat viele Auszeichnungen erhalten.
Was hat mich an dem Buch „gefesselt“ und weshalb finde ich es – branchenübergreifend – für Gründungen von grünen Projekten relevant?
Im Buch kommen viele Menschen aus der Start-up-Welt zu Wort, die sensible Themen der Szene beleuchten. Beispielsweise im Kapitel 3 „Liebe, Beziehung und Übergriffe“. Dort schreibt sie über Machtmissbrauch, auch von Seiten der Investoren. Sie gibt wertvolle Tipps, wie Frauen sich schützen können. Sie macht deutlich, wie eigentlich „private“ Entscheidungen „Kinder ja/nein, Familie leben, mit Beziehungspartnern gründen“ auch Unternehmerinnen in Startups immer noch vor scheinbar unlösbare Rollenkonflikte stellen. Lösungen werden hier nur angedeutet. Frauen klären Vieles individuell, auch wie mit gesetzten Grenzen umgegangen wird.
Eine weitere Stärke des Buchs sind verschiedene Role Models und diverse Impulse. Die Autorin bezieht in vielen Themen ihr großes Netzwerk mit ein, das von der Weiberwirtschaft Berlin, Europas größtem Gründerinnen- und Unternehmerinnenzentrum bis zu international-tätigen Unternehmer*innen, Tech-Expert*innen und Startup-Gründer*innen reicht. Für das eigene Unternehmen hat sie eine klare (feministische) Antwort: „FeMentor“ wird solange eine Plattform für Frauen bleiben, bis sich gesellschaftlich etwas ändert.
Anastasia Barner startet in einer männerdominierten Gründerszene, die sich seit 2019 mehr oder weniger verändert hat. Also eher weniger. Sie ist häufig die einzige Female-Founderin. Zudem 20 bis 30 Jahre jünger als Investor*innen. Erinnert Sie das nicht auch an den Besuch der „Agritechnica“, Weltleitmesse der Landtechnik? Vor noch nicht allzu langer Zeit wurden Sie nach dem Betriebsleiter gefragt, wenn Sie das Kaufangebot einer Maschine erhalten wollten. Vielleicht denken Sie an EXIST Programme Ihrer Hochschule, wo Ihre Ideen zu wenig tech, zu wenig innovativ, zu wenig grow oder Ähnliches gelten? Haben Sie auch die magischen 11% an landwirtschaftlichen Betriebsleiterinnen im Kopf – eine Zahl, die sich seit Jahrzenten kaum verändert? Unter dem Motto „was wirklich etwas ändert“ stellt Anastasia Barner ihre Forderungen zu „female Empowerment“ auf (Seite 59).
Sie macht klar, welche Vorteile (und welche Risiken) Unternehmensgründungen für Frauen haben, welche Wege Frauen in der Startup-Szene einschlagen und welche Pfade sie besser nicht gehen sollten. Sie sammelt viele Argumente alleine zu gründen, beschreibt aber auch Gründungen im Team. Diesen „Mittelteil“ finde ich branchenübergreifend sehr wertvoll.
Die letzten Kapitel handeln von Fehlern, Scheitern, Insolvenzen und Verkauf. Themen, die zur Gründung dazugehören genauso wie Einsamkeit, Selbstzweifel und Burnout. Letzteres wird für meine Begriffe „zu“ häufig genannt, was aber auch an dem immer noch währenden Tabu liegen kann. Schließlich ist Selbstfürsorge und Achtsamkeit auch Teil in dem von mir angebotenen Coachingprozess.
Den Finanzierungsmodellen sind eher wenige Seiten gewidmet. Anastasia Barner hat für das eigene Unternehmen Bootstrapping gewählt d.h. mit eigenen Mitteln zu arbeiten. Wie es funktioniert erklärt sie im Video. Hier ein knapper Überblick aller Varianten:
- „Business Angels/Investoren,
- Venture Capital (VC),
- Bootstrapping,
- Crowdfunding,
- Crowd Investing,
- Kredite/Darlehen,
- Family & Friends,
- Accelerators,
- Inkubatoren,
- Stipendien (z.B. Berliner Start-up-Stipendium),
- Wettbewerbe.“ (S. 231)
Neugierig geworden auf ein außergewöhnliches Gründungsbuch, weit ab von den zehn bekannten Erfolgsgeschichten oder der betriebswirtschaftlichen Pflichtlektüre, die wenig Mut macht?
(1) Barner, Anastasia "(GE)GRÜNDET! Startup-Szene uncovered", 2023 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg
(2) The Founder's Story (Youtube-Video) angesehen am 07.10.24 https://www.youtube.com/watch?v=iRs5i3ot31M